Nach wenigen Minuten des Wartens werde ich von hinten durch eine Stimme angesprochen, ob ich ebenfalls zu Joey-Gruppe gehören würde. Ich drehe mich um und blicke in acht neugierige und mich checkende Gesichter. Schnell stellt sich heraus, dass es sich um meine Mitstreiter Conny, Damian, Christof, Adrian, Chrispin, Lars, Torsten und Hannes handelt. Diese sind sich bereits zufällig im Hotel begegnet und haben Fahrgemeinschaften zum Flughafen gebildet.
Zwei Minuten später steht plötzlich eine kleine Frau vor uns, welche unser Zusammentreffen beobachtet hatte. Es handelt sich um Inka, welche die Reisegruppe komplettiert.
Jetzt ist also bekannt, dass die Challenge mit 10 Kandidaten stattfinden wird. Die Herausforderer von Joey Kelly bestehen somit aus zwei weiblichen und acht männlichen Teilnehmern.
Wir kommen untereinander sofort ins Gespräch und es stellt sich schnell heraus, dass jeder der Teilnehmer sportliche Erfolge nachweisen kann. Conny ist derzeit zweitbeste österreichische Marathonläuferin, Lars hat u. a. den Triple-Ironman erfolgreich bestritten, Damian war im vergangenen Jahr beim Ironman Hawaii am Start und Inka berichtet, dass Sie in der Welt der Hindernisläufe zu Hause sei und erst kürzlich ein Tough Mudder-Rennen für sich entscheiden konnte. Hannes ist Sportsoldat bei der Bundeswehr und amtierender Deutscher Meister über die olympische Distanz im Triathlon. Er lebt somit vom Sport und ist mit 23 Jahren übrigens der mit Abstand jüngste Teilnehmer. Christof ist mehrfacher Ironman-Finisher, während Torsten, Adrian und Chrispin großer Erfahrungen und beachtliche Erfolge bei Ultraläufen vorzuweisen haben.
Ich bin beeindruckt von den Leistungen meiner Mitstreiter und bin mir sofort bewusst, dass ich einer derjenigen Teilnehmer sein werde, der die Gruppe der ambitionierten Freizeitathleten vertreten wird. Mir ist aber auch bewusst, dass all die unterschiedlichen Erfolge bei der Challenge am anderen Ende der Welt wohl keine Auswirkungen auf das Abschneiden haben werden.
Mit Inka und Hannes stehe ich unter der Anzeigentafel, welche uns die demnächst startenden Flieger in die große weite Welt anzeigt. Wir spekulieren, wohin die Reise wohl gehen werden. Es fallen mögliche Zielorte wie Abu Dhabi und San Francisco, während wir von einem Kamerateam gefilmt werden.
Mittlerweile ist es 08.30 Uhr und wir werden offiziell vom Verantwortlichen der Challenge gemeinsam mit Joey Kelly begrüßt. Die Spannung über Neuigkeiten in Sachen Location steigt bei allen Teilnehmern extrem. Nach einem kurzen shake hands durch Joey erwähnt dieser ganz nüchtern, trocken und kurz: „Wir fliegen nirgendwo hin – wir bleiben in Deutschland!“
Stille – keinerlei Reaktionen sind zu vernehmen, auch wenn diese durch die anwesende Kamera erwartet werden. Sollten wir tatsächlich in Deutschland bleiben? Handelt es sich um einen Fake der Veranstalter, um die Reaktionen der Teilnehmer zu erhaschen?
Wir bekommen die Anweisung, das Flughafengebäude zu verlassen und in Richtung eines benachbarten Parkplatzes zu begeben, da dort ein Bus auf uns warten würde.
Sollten das Abenteuer unseres Lebens tatsächlich in good old Germany stattfinden?
Nach dem Verladen unsere Rucksäcke und persönlicher Utensilien besteigen wir den Bus. Wir bekommen eine Platte mit „Berliner“ als Reiseproviant sowie die Information mit an Bord, dass wir nun eine ungefähr zweieinhalb stündige Busfahrt vor uns hätten. Das Ziel wird nach wie vor streng geheim gehalten. Der Bus setzt sich in Bewegung und ich finde neben Torsten einen Platz, der u. a. einen 320 km Nonstop-Ultralauf sowie zahlreiche Erfolge im Laufsport vorzuweisen hat.
Die Spekulationen und Vermutungen innerhalb der Gruppe, wohin die Reise dann gehen wird, sind längst in vollem Gange, während wir vom anwesenden Kamerateam ganz konkret angesprochen werden, wie groß denn unsere Enttäuschung nun tatsächlich sei.
Natürlich ist jeder Einzelne enttäuscht, wenn die Reise an das andere Welt tatsächlich ausfallen und wir in unserem Heimatland bleiben sollten. Die letzten zwei Herausforderungen gegen Joey Kelly fanden schließlich in Tansania und Namibia statt. Ich persönlich versuche trotzdem positiv mit diesem Gedanken umzugehen – falls dies tatsächlich Realität werden sollte. In mir keimt nach wie vor die Hoffnung, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt, um unsere Reaktionen zu testen und wir doch noch irgendwo den Flieger in die große, weite Welt besteigen werden.
Vielleicht wird es aber auch noch einen Ausscheidungswettbewerb geben, aus welchem dann fünf Personen mitgenommen und fünf Teilnehmer nach Hause geschickt werden – Gedankenspiele.
Also wo endet nun die Fahrt im Reisebus? An einen Fährhafen, um mit einem Schiff weiterzureisen oder an einen Flughafen einer anderen Stadt? Müssen wir vielleicht zurück nach Berlin laufen oder dreht das Gefährt lediglich eine Runde um Berlin?
Nach gut 90-minütiger Fahrt ins Ungewisse machen wir eine kurze Pause an eine Raststätte entlang der A19 Richtung Norden, doch die Hoffnung auf weitere Infos wird nicht erfüllt. Die Fahrt wird nach wenigen Minuten fortgesetzt und wir passieren irgendwann das Ortsschild der Hansestadt Rostock. Wir drehen ein paar Runden durch dicht besiedeltes Wohngebiet, so dass es so scheint, als hätten wir das Ziel gleich erreicht, doch wir fahren noch eine Weile, bis wir auf einen ruhigen Parkplatz in unmittelbarer Nähe der Ostsee einbiegen. In der Mitte des Areals ist ein kleiner Verkaufsstand auszumachen, an welchem man frische Erdbeeren erstehen kann. Bis auf wenige abgestellte Wohnmobile italienischer Touristen ist ansonsten die Parkfläche weitestgehend leer – wir sind in Warnemünde angekommen.
Der Bus hält am hinteren linken Bereich, wo wir die bereits vom Flughafen Tegel bekannten Gesichter ausfindig machen können.
Die Crew des Veranstalters hat sich neben einem Wohnmobil positioniert. In unmittelbarer Nähe sind ein Fahrrad sowie ein Tisch mit zusätzlichem Equipment zu erkennen. Es steht ein Fahrrad in Wir werden zum Aussteigen aufgefordert, um unsere Rucksäcke und weiteres Gepäck aus dem Ladebereich des Reisebusses aufzunehmen und uns in der Folge zu sammeln.
Gleich wissen wir, was mit uns geplant wird und welche Herausforderung auf uns wartet. Oft habe ich im Vorfeld über sämtliche Möglichkeiten und Varianten nachgedacht – doch wie gestaltet sich das nun in der Realität?
Der verantwortliche Redakteur blickt nun also in neugierige, aufmerksame und fragende Gesichter der zusammengestellten Truppe und beginnt mit dem Satz „Ihr könnt Euch sicher schon vorstellen, was das Ziel ist, oder?“
Nachdem eine erhoffte Reaktion ausbleibt, führt er weiter aus, dass Joey Kelly bereits im Jahr 2010 den sogenannten Deutschlandlauf mit dem Ausgangspunkt Wilhelmshaven mit dem Ziel Zugspitze alleine durchgeführt hat und es unsere Aufgabe sei, diesen innerhalb der nächsten 19 Tage zu wiederholen. Die zurückzulegende Gesamtstrecke liegt bei ca. 860 km ohne Umwege.
Joey Kelly wird die mit einem GPS-System von Garmin ausgestattet, um die Richtung einer jeden einzelnen Etappe angezeigt zu bekommen.
Es sind keinerlei Freudenschreie oder gar euphorische Reaktionen innerhalb der Reisegruppe zu vernehmen. Ich selbst komme erst gar nicht zum Realisieren, was dies auch nur ansatzweise bedeutet, denn es gilt gleich im Anschluss die Rucksäcke marschbereit zu packen.
Die gründliche Vorbereitung beim Packen meines Rucksackes im Vorfeld wird jedoch durch die Ansage getrübt, dass weder Verpflegung wie Riegel, Obst oder Nahrungsergänzung und jegliche Art von Getränken mitgeführt werden dürfen. Ebenso sei es nicht erlaubt, medizinischen Bedarf wie z. B. kleine Scheren, Pinzetten, Blasenpflaster, Schmerzmittel oder Salben im Rucksack zu verstauen. Ebenso tabu sind zudem Smartphones und Fotoapparate. Selbst meine Kaugummis schaffen es nicht durch die Kontrolle – zu viele Kohlenhydrate…
Zu den bereits gut gepackten Rucksäcken erhalten wir Teilnehmer zudem noch je eine große Zeltplane, zwei kurzärmelige Laufshirts, eine Softshelljacke, eine Warnweste sowie einen Trinkwasserfilter. Außerdem hat nun jeder eine kleine Kamera dabei, um die eigenen Gedanken und individuellen Tageseindrücke festhalten zu können, worum wir gebeten werden.
Ich kann mit jedem zusätzlichen Ausstattungsgegenstand etwas verbinden, aber was sollen wir mit einem Trinkwasserfilter anfangen? Ich komme erst gar nicht zum Brainstorming, denn wir werden gebeten, uns Richtung Ostseestrand in Bewegung zu setzen, denn dort würde es noch etwas Essbares geben.
Kurz vor einem kleinen Waldstück, hinter welchem sich eine Treppe runter zum Strand anschließt, befindet sich eine kleine und urige Verkaufsbude. Das Angebot umfasst sämtliche Fischspezialitäten aus der Ostsee. Es gibt beispielsweis Lachs, Backfisch oder Schrimps im Brötchen.
Der Verkaufswagen hat heute regen Zulauf und wir stellen uns in der Schlange an, um unsere Getränkebestellung beim etwas nervösen Betreiber aufzugeben, was ihn gleich sympathisch macht. Es handelst sich um einen Kerl, Marke „alter Seefahrer“, mit grauem Vollbart so Ende 50. Ich kann mich gut in seine Lage versetzen, denn wann wird man schon von einem Kamerateam eines Fernsehsenders bei der Arbeit beobachtet?!
Nach dem Ordern der Getränke schnappe ich mir eines der bereits vorbereiteten Tabletts mit mindestens 25 Fischbrötchen. Wir dürfen uns in ein hergerichtetes Zelt zurückziehen und so viele Fischbrötchen essen, wie wir mögen oder können.
Ich gönne mir je ein Weck mit Lachs und Backfisch. Dazu gibt es zwei kleine Flaschen Cola. Hannes, einer meiner Mitstreiter, schraubt sich gleich fünf Brötchen zwischen die Kiemen. Dass ihm im Anschluss übel sein wird, brauche ich nicht hervorheben.
Nach der durchaus schmackhaften Stärkung, die alleine schon durch die Reisestrapazen nötig war, gehen wir Richtung Strand. Nach dem Betreten der Freitreppe ergibt sich ein herrlicher Blick über die schöne Ostsee. Für die anwesenden Strandbesucher, die im Sand entspannen, ist unsere Gruppe natürlich der „Hingucker“. Wir bilden einen kleinen Kreis, um die Regeln für die unmittelbar bevorstehende Challenge kennenzulernen, die wie folgt lauten:
- Während der gesamten Tour wird die Gruppe nicht verpflegt!
- Es darf kein Geld mitgenommen werden!
- Wir dürfen uns keine Lebensmittel kaufen oder erbetteln!
Ausnahme: Wir dürfen gezielt nach Wasser fragen
- Es darf sich nur durch Dinge ernährt werden, die die Natur hergibt!
- Wenn einer der Teilnehmer etwas „Essbares“ findet, darf nicht geteilt werden!
- Es darf ein Paar Ersatzschuhe abgegeben werden, jedoch nur getauscht werden, wenn die eigentlichen Schuhe dermaßen kaputt sind, dass man nicht mehr drin laufen kann. Blasen seien kein Grund zum Tausch.
Wird eine dieser Regeln verletzt, wird der Teilnehmer disqualifiziert. Nach dem offiziellen Briefing wird jeder der Teilnehmer noch mit einer 1,5 Liter-Flasche mit stillem Wasser ausgestattet – es kann losgehen.
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