Meine letzte sportliche Herausforderung führte mich ins Königreich Bhutan. Bhutan ist ein eigenständiger Staat in Südasien und grenzt im Süden an Indien sowie nördlich an Tibet.
Das Land zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, beheimatet etwa 770.000 Einwohner und zeichnet sich durch traditionelle Lebensweise im Einklang mit der Natur sowie dem Buddhismus aus. Man kann überall unberührte Natur und Tempelanlagen bestaunen.
Bhutan ist das einzige Land der Erde, dass die gesellschaftliche Entwicklung am Glück der Einwohner des gesamten Landes misst und wird von den imposanten Bergriesen des Himalaya geprägt. Zudem genießt man das globale Alleinstellungsmerkmal, eine negative CO2-Bilanz aufweisen zu können.
Anreise auf das Dach der Welt
Rund 80 % des Landes befinden sich auf einer Höhe von über 2.000 Metern. Von den 14 Bergen über 8.000 Meter weltweit befinden sich zehn im Himalaya. Während der Anreise über Delhi (Indien) folgte ein Flug entlang des Himalayas von Kathmandu (Nepal) nach Paro, wo sich der einzige Flughafen des Landes befindet. Bei Königswetter konnte ich während des Fluges den Mount Everest – den höchsten Berg der Welt (8.848 Meter) – bestaunen. Nicht umsonst trägt der Gebirgszug den Namen „Dach der Welt“ – sehr imposant wie die Spitze dieses Massives aus den Wolken ragt.
Die Reise in den Himalaya habe ich angetreten, um bei dem sechstägigen Etappenlauf „The Last Secret„ teilzunehmen. Hierbei sind 200 km mit +10.800 Meter im Aufstieg sowie -8.000 Meter im Abstieg zu absolvieren – ein durchaus sehr forderndes und spektakuläres Rennen.
Nach den einzelnen Etappen wurde in Zelten, 120 Jahre alten Bauernhäuser oder in den Kammern von jungen Mönchen in einem Kloster übernachtet.
Start des Etappenlaufs am Punakha Dzong
Der Start des Rennens erfolgte am grandios gelegenem „Punakha Dzong“ einem Kloster / einer Festung, wie aus einem Märchenbuch. Hier bildeten 350 Studenten (-innen) ein Spalier, um die Sportler mit Beifall zu begrüßen und diese anschließend nach dem Singen der einheimischen Nationalhymne auf die Strecke zu schicken. Ein Gänsehautmoment der immer in Erinnerung bleiben wird.
Der zweite Tag gehörte zu den anspruchsvollsten Etappen, die ich je unter den Laufschuhen gehabt habe. Der Veranstalter hat uns beim Briefing am Vorabend bereits die Info gegeben, dass dies die heftigste Etappe sei, die er in über 15 Jahren bei seinen weltweiten Rennen ausgewiesen hat.
Innerhalb der ersten 20 Kilometern war eine Steigung von ca. 2.500 Metern durch unwägsamen Dschungel mit Kletterpartien, Wasser, unzähligen Moskitos und Blutekeln bestückt, welche sich von Bäumen fallen ließen. Zum Glück wussten die Teilnehmer durch die Infos am Vorabend was auf sie zukommen würde und man konnte sich mental darauf einstellen und vor allem in der Situation gut dagegenhalten. So mancher der Läufer(-innen) ist hierbei weit über die eigenen Grenzen gegangen, da es nach ca. 5 km einen Punkt gibt, ab welchem man „durchziehen muss“, da es keinerlei Möglichkeit gibt, einen Teilnehmer mit Fahrzeugen oder gar Hubschrauber rausholen zu können, wenn dieser aussteigen möchte.
Verwunderte Blicke
In der Vorbereitung habe ich Höhentrainingsblöcke in Osnabrück absolviert, womit ich bereits in der Vergangenheit im Vorfeld des Rennens in Bolivien gute Erfahrungen gemacht hatte.
Die Mühen haben sich ausgezahlt, da ich die neben der ersten auch die dritte Etappe mit dem Ziel auf 3.600 Metern tatsächlich für mich entscheiden konnte. Es ist dennoch ein komisches Gefühl die Sherpas in den meisten Fällen mit indischen Touristen bergauf zu überholen, die nur verwunderte Blicke für die Läufer hatten.
Eine ältere Frau reichte mir mit einem Augenzwinkern als auch einem breiten Lächeln zwei Backsteine einer Gebetsmühle, welche am Rande des Aufstieges aufgebaut war, mit dem Vorschlag diese doch noch zusätzlich in meinem Laufrucksack unterzubringen. Ich grinste zurück und unsere Wege trennten sich wieder.
Am Ende des dritten Tages nächtigten wir in einem Kloster und es stand ein Fußballspiel zwischen den beheimateten Jungmönchen und den Läufern auf dem Programm. Die Mönche hatten sich über ein Jahr lang auf diesen Tag vorbereitet und es ging in erster Linie um die Begegnung und der Sport war der perfekte Aufhänger hierfür.
Fußballspiel auf 3600 Metern gegen Mönche
Gegen Bayern München oder Borussia Dortmund haben schon etliche Spieler Tore erzielt – aber gegen buddhistische Mönche auf 3.600 Metern in Bhutan können das wohl noch nicht so viele von sich behaupten…😉 Sportlich gesehen hat es an der verdienten 2:5 Niederlage nichts geändert.
Die Mönche teilten sich beim stimmungsvollen Aufeinandertreffen teilweise sogar die Fußballschuhe, am rechten Fuß ein Fußallschuh, am linken Fuß eine Sandale. Dazu trugen Sie ihre klassischen Mönchumhänge.
Das Spiel wird den Anwesenden wohl immer in guter Erinnerung bleiben, da diese Aktivität so surreal war und zweifelsohne aufgezeigt hat, welche verbindende Wirkung der Sport mit sich bringt. Selbstverständlich hält man sich zurück, um keine Verletzung zu riskieren. Am nächsten Tag wurde der Etappenlauf, mit dem Passieren der höchsten Stelle innerhalb des Wettkampfes auf über 3.700 Meter, fortgesetzt.
Königsetappe zum Tiger’s Nest
An Tag 5 wartete die Königsetappe mit einer Distanz von 54 Kilometern. Bei sehr heißen Temperaturen um die 40 Grad waren weite Teile der Strecke gut laufbar, was mir sehr entgegenkam. Die Route verlief einige Kilometer am Flughafen vorbei (wo alle 100 Meter ein Sicherheitsmann mit einem Lächeln oder „Daumenhoch“ grüßte), durch das Zentrum von Paro über Serpentinenstraßen bis hin zum Tagesziel, welches ich als Zweiter erreichen konnte.
Ziel der läuferischen Woche war das wohl spektakulärsten und mystischste Kloster der Erde – dem Taktshang Goemba Kloster oder auch „Tiger’s Nest“ genannt. Dies hängt in ca. 3.000 Metern an den Klippen mit einem einmaligen Blick über das Paro-Tal. Auf dem Weg hier hoch habe ich nochmals alle Reserven mobilisieren und konnte die Finish-Line erschöpft, aber glücklich überspringen – was ein Lauf…
Im Jahr 2008 wurde in Bhutan eine Verfassung durch den König unterzeichnet, die den Weg für eine konstitutionelle Monarchie ebnete. An dieser wirkte der spätere „Chief Justices“ Lyonpo Sonam Tobgye maßgeblich mit, welcher die Siegerehrung für die je drei Erstplatzierten Frauen und Männer durchführte.
Zweiter Platz und grandiose Erinnerungen
Es war sein Wunsch, dass die geehrten Sportler mit ihm während des Dinners den Tisch teilten. Es war eine große Ehre aus seinen Händen den Pokal für den zweiten Platz der Männer, eine Gebetsmühle mit Gravur sowie ein Exemplar der Verfassung mit persönlicher Widmung zu erhalten.
Mir werden neben dem sportlichen Erfolg insbesondere die Begegnungen, die Wertschätzung, der Respekt sowie der Zusammenhalt untereinander, die Zufrieden und Gelassenheit sowie die grandiose Natur in bester Erinnerung bleiben.
Sascha Gramm
www.sascha-lauftrainer.de
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