- benötigte, freie Zeit: 3 Wochen
- Temperaturen von 5 bis 40 Grad möglich
- Regen möglich
- Trailrunningschuhe und Reisepass werden benötigt
- Keine Malariaprophylaxe erforderlich
- Ausstattungsgegenstände / Packliste
- Treffen am Flughafen Berlin Tegel
In Sachen Ausstattung hilft mir das kompetente und freundliche Team von DOOROUT Fulda weiter. Mit dem entsprechendem Know-How und vielen wertvollen Tipps werde ich mit der Pflichtausstattung wie z. B. Rucksack, Schlafsack, Unterwäsche, Trailrunningschuhen etc. ausgestattet.
Nachfolgend ein ganz persönlicher, etwas anderer Erlebnisbericht:
Das bestellte Taxi bringt mich nach dem Check-Out in einem Berliner Hotel zum Flughafen Tegel. Auf die Frage des Fahrers wohin die Reise geht, antworte ich mit einem schlichten „Ich weiß es selbst nicht.“
Der vereinbarte Treffpunkt ist die große Anzeigentafel um Punkt Acht – also hatte ich noch eine gute halbe Stunde Zeit, um mir noch eine Kleinigkeit zum Frühstück zu besorgen und nochmals die sanitären Anlagen aufzusuchen.
Ich entscheide mich bei einem Bäcker für einen Streuseltaler und einen kalten Kakao und ziehe mich in eine Ecke zurück, erfreue mich an dem süßen Frühstück und meine Gedanken kreisen weiter darum, wohin die große Reise wohl gehen sollte.
Ich begebe mich allmählich Richtung vorgegebenen Treffpunkt mit einem kleinen Abstecher zum WC. Nochmals einem menschlichen Bedürfnis nachgehen, bevor es in den Flieger auf die große Reise geht. Wer weiß, wie lange der Flug andauern würde.
Ich spaziere ein paar Meter in der Abflughalle herum, ehe ich mich dazu entscheide, an einer Ecke zu warten, aus welcher die Aktivitäten in der Halle gut zu verfolgen sind.
Zwei Minuten später steht plötzlich eine kleine Frau vor uns, welche unser Zusammentreffen beobachtet hatte. Es handelt sich um Inka, welche die Reisegruppe komplettiert.
Jetzt ist also bekannt, dass die Challenge mit 10 Kandidaten stattfinden wird. Die Herausforderer von Joey Kelly bestehen somit aus zwei weiblichen und acht männlichen Teilnehmern.
Wir kommen untereinander sofort ins Gespräch und es stellt sich schnell heraus, dass jeder der Teilnehmer sportliche Erfolge nachweisen kann. Conny ist derzeit zweitbeste österreichische Marathonläuferin, Lars hat u. a. den Triple-Ironman erfolgreich bestritten, Damian war im vergangenen Jahr beim Ironman Hawaii am Start und Inka berichtet, dass Sie in der Welt der Hindernisläufe zu Hause sei und erst kürzlich ein Tough Mudder-Rennen für sich entscheiden konnte. Hannes ist Sportsoldat bei der Bundeswehr und amtierender Deutscher Meister über die olympische Distanz im Triathlon. Er lebt somit vom Sport und ist mit 23 Jahren übrigens der mit Abstand jüngste Teilnehmer. Christof ist mehrfacher Ironman-Finisher, während Torsten, Adrian und Chrispin großer Erfahrungen und beachtliche Erfolge bei Ultraläufen vorzuweisen haben.
Ich bin beeindruckt von den Leistungen meiner Mitstreiter und bin mir sofort bewusst, dass ich einer derjenigen Teilnehmer sein werde, der die Gruppe der ambitionierten Freizeitathleten vertreten wird. Mir ist aber auch bewusst, dass all die unterschiedlichen Erfolge bei der Challenge am anderen Ende der Welt wohl keine Auswirkungen auf das Abschneiden haben werden.
Mit Inka und Hannes stehe ich unter der Anzeigentafel, welche uns die demnächst startenden Flieger in die große weite Welt anzeigt. Wir spekulieren, wohin die Reise wohl gehen werden. Es fallen mögliche Zielorte wie Abu Dhabi und San Francisco, während wir von einem Kamerateam gefilmt werden.
Mittlerweile ist es 08.30 Uhr und wir werden offiziell vom Verantwortlichen der Challenge gemeinsam mit Joey Kelly begrüßt. Die Spannung über Neuigkeiten in Sachen Location steigt bei allen Teilnehmern extrem. Nach einem kurzen shake hands durch Joey erwähnt dieser ganz nüchtern, trocken und kurz: „Wir fliegen nirgendwo hin – wir bleiben in Deutschland!“
Stille – keinerlei Reaktionen sind zu vernehmen, auch wenn diese durch die anwesende Kamera erwartet werden. Sollten wir tatsächlich in Deutschland bleiben? Handelt es sich um einen Fake der Veranstalter, um die Reaktionen der Teilnehmer zu erhaschen?
Wir bekommen die Anweisung, das Flughafengebäude zu verlassen und in Richtung eines benachbarten Parkplatzes zu begeben, da dort ein Bus auf uns warten würde.
Sollten das Abenteuer unseres Lebens tatsächlich in good old Germany stattfinden?
Nach dem Verladen unsere Rucksäcke und persönlicher Utensilien besteigen wir den Bus. Wir bekommen eine Platte mit „Berliner“ als Reiseproviant sowie die Information mit an Bord, dass wir nun eine ungefähr zweieinhalb stündige Busfahrt vor uns hätten. Das Ziel wird nach wie vor streng geheim gehalten. Der Bus setzt sich in Bewegung und ich finde neben Torsten einen Platz, der u. a. einen 320 km Nonstop-Ultralauf sowie zahlreiche Erfolge im Laufsport vorzuweisen hat.
Die Spekulationen und Vermutungen innerhalb der Gruppe, wohin die Reise dann gehen wird, sind längst in vollem Gange, während wir vom anwesenden Kamerateam ganz konkret angesprochen werden, wie groß denn unsere Enttäuschung nun tatsächlich sei.
Natürlich ist jeder Einzelne enttäuscht, wenn die Reise an das andere Welt tatsächlich ausfallen und wir in unserem Heimatland bleiben sollten. Die letzten zwei Herausforderungen gegen Joey Kelly fanden schließlich in Tansania und Namibia statt. Ich persönlich versuche trotzdem positiv mit diesem Gedanken umzugehen – falls dies tatsächlich Realität werden sollte. In mir keimt nach wie vor die Hoffnung, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt, um unsere Reaktionen zu testen und wir doch noch irgendwo den Flieger in die große, weite Welt besteigen werden.
Vielleicht wird es aber auch noch einen Ausscheidungswettbewerb geben, aus welchem dann fünf Personen mitgenommen und fünf Teilnehmer nach Hause geschickt werden – Gedankenspiele.
Also wo endet nun die Fahrt im Reisebus? An einen Fährhafen, um mit einem Schiff weiterzureisen oder an einen Flughafen einer anderen Stadt? Müssen wir vielleicht zurück nach Berlin laufen oder dreht das Gefährt lediglich eine Runde um Berlin?
Nach gut 90-minütiger Fahrt ins Ungewisse machen wir eine kurze Pause an eine Raststätte entlang der A19 Richtung Norden, doch die Hoffnung auf weitere Infos wird nicht erfüllt. Die Fahrt wird nach wenigen Minuten fortgesetzt und wir passieren irgendwann das Ortsschild der Hansestadt Rostock. Wir drehen ein paar Runden durch dicht besiedeltes Wohngebiet, so dass es so scheint, als hätten wir das Ziel gleich erreicht, doch wir fahren noch eine Weile, bis wir auf einen ruhigen Parkplatz in unmittelbarer Nähe der Ostsee einbiegen. In der Mitte des Areals ist ein kleiner Verkaufsstand auszumachen, an welchem man frische Erdbeeren erstehen kann. Bis auf wenige abgestellte Wohnmobile italienischer Touristen ist ansonsten die Parkfläche weitestgehend leer – wir sind in Warnemünde angekommen.
Der Bus hält am hinteren linken Bereich, wo wir die bereits vom Flughafen Tegel bekannten Gesichter ausfindig machen können.
Die Crew des Veranstalters hat sich neben einem Wohnmobil positioniert. In unmittelbarer Nähe sind ein Fahrrad sowie ein Tisch mit zusätzlichem Equipment zu erkennen. Es steht ein Fahrrad in Wir werden zum Aussteigen aufgefordert, um unsere Rucksäcke und weiteres Gepäck aus dem Ladebereich des Reisebusses aufzunehmen und uns in der Folge zu sammeln.
Gleich wissen wir, was mit uns geplant wird und welche Herausforderung auf uns wartet. Oft habe ich im Vorfeld über sämtliche Möglichkeiten und Varianten nachgedacht – doch wie gestaltet sich das nun in der Realität?
Der verantwortliche Redakteur blickt nun also in neugierige, aufmerksame und fragende Gesichter der zusammengestellten Truppe und beginnt mit dem Satz „Ihr könnt Euch sicher schon vorstellen, was das Ziel ist, oder?“
Nachdem eine erhoffte Reaktion ausbleibt, führt er weiter aus, dass Joey Kelly bereits im Jahr 2010 den sogenannten Deutschlandlauf mit dem Ausgangspunkt Wilhelmshaven mit dem Ziel Zugspitze alleine durchgeführt hat und es unsere Aufgabe sei, diesen innerhalb der nächsten 19 Tage zu wiederholen. Die zurückzulegende Gesamtstrecke liegt bei ca. 860 km ohne Umwege.
Joey Kelly wird die mit einem GPS-System von Garmin ausgestattet, um die Richtung einer jeden einzelnen Etappe angezeigt zu bekommen.
Es sind keinerlei Freudenschreie oder gar euphorische Reaktionen innerhalb der Reisegruppe zu vernehmen. Ich selbst komme erst gar nicht zum Realisieren, was dies auch nur ansatzweise bedeutet, denn es gilt gleich im Anschluss die Rucksäcke marschbereit zu packen.
Die gründliche Vorbereitung beim Packen meines Rucksackes im Vorfeld wird jedoch durch die Ansage getrübt, dass weder Verpflegung wie Riegel, Obst oder Nahrungsergänzung und jegliche Art von Getränken mitgeführt werden dürfen. Ebenso sei es nicht erlaubt, medizinischen Bedarf wie z. B. kleine Scheren, Pinzetten, Blasenpflaster, Schmerzmittel oder Salben im Rucksack zu verstauen. Ebenso tabu sind zudem Smartphones und Fotoapparate. Selbst meine Kaugummis schaffen es nicht durch die Kontrolle – zu viele Kohlenhydrate…
Zu den bereits gut gepackten Rucksäcken erhalten wir Teilnehmer zudem noch je eine große Zeltplane, zwei kurzärmelige Laufshirts, eine Softshelljacke, eine Warnweste sowie einen Trinkwasserfilter. Außerdem hat nun jeder eine kleine Kamera dabei, um die eigenen Gedanken und individuellen Tageseindrücke festhalten zu können, worum wir gebeten werden.
Ich kann mit jedem zusätzlichen Ausstattungsgegenstand etwas verbinden, aber was sollen wir mit einem Trinkwasserfilter anfangen? Ich komme erst gar nicht zum Brainstorming, denn wir werden gebeten, uns Richtung Ostseestrand in Bewegung zu setzen, denn dort würde es noch etwas Essbares geben.
Kurz vor einem kleinen Waldstück, hinter welchem sich eine Treppe runter zum Strand anschließt, befindet sich eine kleine und urige Verkaufsbude. Das Angebot umfasst sämtliche Fischspezialitäten aus der Ostsee. Es gibt beispielsweis Lachs, Backfisch oder Schrimps im Brötchen.
Der Verkaufswagen hat heute regen Zulauf und wir stellen uns in der Schlange an, um unsere Getränkebestellung beim etwas nervösen Betreiber aufzugeben, was ihn gleich sympathisch macht. Es handelst sich um einen Kerl, Marke „alter Seefahrer“, mit grauem Vollbart so Ende 50. Ich kann mich gut in seine Lage versetzen, denn wann wird man schon von einem Kamerateam eines Fernsehsenders bei der Arbeit beobachtet?!
Nach dem Ordern der Getränke schnappe ich mir eines der bereits vorbereiteten Tabletts mit mindestens 25 Fischbrötchen. Wir dürfen uns in ein hergerichtetes Zelt zurückziehen und so viele Fischbrötchen essen, wie wir mögen oder können.
Ich gönne mir je ein Weck mit Lachs und Backfisch. Dazu gibt es zwei kleine Flaschen Cola. Hannes, einer meiner Mitstreiter, schraubt sich gleich fünf Brötchen zwischen die Kiemen. Dass ihm im Anschluss übel sein wird, brauche ich nicht hervorheben.
Nach der durchaus schmackhaften Stärkung, die alleine schon durch die Reisestrapazen nötig war, gehen wir Richtung Strand. Nach dem Betreten der Freitreppe ergibt sich ein herrlicher Blick über die schöne Ostsee. Für die anwesenden Strandbesucher, die im Sand entspannen, ist unsere Gruppe natürlich der „Hingucker“. Wir bilden einen kleinen Kreis, um die Regeln für die unmittelbar bevorstehende Challenge kennenzulernen, die wie folgt lauten:
- Während der gesamten Tour wird die Gruppe nicht verpflegt!
- Es darf kein Geld mitgenommen werden!
- Wir dürfen uns keine Lebensmittel kaufen oder erbetteln!
Ausnahme: Wir dürfen gezielt nach Wasser fragen
- Es darf sich nur durch Dinge ernährt werden, die die Natur hergibt!
- Wenn einer der Teilnehmer etwas „Essbares“ findet, darf nicht geteilt werden!
- Es darf ein Paar Ersatzschuhe abgegeben werden, jedoch nur getauscht werden, wenn die eigentlichen Schuhe dermaßen kaputt sind, dass man nicht mehr drin laufen kann. Blasen seien kein Grund zum Tausch.
Wird eine dieser Regeln verletzt, wird der Teilnehmer disqualifiziert. Nach dem offiziellen Briefing wird jeder der Teilnehmer noch mit einer 1,5 Liter-Flasche mit stillem Wasser ausgestattet – es kann losgehen.
Wir marschieren bei freundlichem Wetter und angenehmen Temperaturen und machen erste kulinarische Erfahrungen mit kleinen Äpfeln, Zwetschgen und Brombeeren, welchen wir im Vorbeigehen pflücken.
Eine Teilnehmerin fand im Mülleimer eine verschlossen Tüte mit einem Donut. Ein Anderer zog mit einer zwar geöffneten, aber noch gut gefüllten Packung von Spekulatius-Keksen das große Los.
Anfänglich habe ich zögerlich einmal in eine Mülltonne geschaut, tat mich aber schwer damit, die Scheu davor abzulegen, den Müll anderer womöglich noch essen zu müssen.
Wir kommen an einem großen Feld vorbei und ich entschließe mich eine Zuckerrübe zu ernten. Diese trage ich bis wir an einem kleinen Tümpel vorbei kommen. Ich befreie das kartoffelähnliche Gewächs vom gröbsten Dreck und schneide die äußere Schale ab, um das Innenleben auf deren Geschmack zu testen. Doch dieser begeistert mich nicht wirklich und ich werfe das gute Stück nach wenigen Bissen wieder weg.
Nach 6 Stunden Marsch machen wir eine kleine Pause innerhalb eines beschaulichen Dörfchens irgendwo im Landkreis Rostock. Da es dunkel und kalt geworden ist, wollen wir uns etwas Wärmeres anziehen und die Stirnlampen anschalten.
Die bisherige Strecke hat hungrig gemacht, doch was könnte den aufkeimenden Hunger stillen? Wir passieren ein Maisfeld. Einige von uns springen ins Feld, um sich einen Maiskolben zu organisieren. Auch ich schnappe mir einen solchen und schäle diesen im Marschieren voller Vorfreude. Doch der Geschmack bringt mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Jedoch im Wissen, etwas essen zu müssen, quäle ich mich dazu den Kolben so gut wie möglich abzunagen.
In der Folge brennt es mir stundenlang im Rachen- und Gaumenbereich. Ich möchte gar nicht wissen, ob und wenn ja wie der Mais behandelt wurde. Ich schnappe mir unterwegs noch einen kleinen und sich als sauer erweisenden, golfballgroßen Apfel auf dem weiteren Weg – das muss für heute ausreichen.
Unser erstes Etappenziel erreichen wir nach neun Stunden Marsch und rund 50 km gegen 01.30 Uhr in der Nacht. Joey hat ein Waldstück irgendwo auf unsere Reise Richtung Brandenburg für unsere erste längere Rast auserkoren. Ich breite meine Zeltplane inmitten meiner Mitstreiter aus, richte mir die Unterlage her und legen mich mit Laufklamotten in meinen Schlafsack. Innerhalb weniger Sekunden falle ich in den Tiefschlaf. Vor mir tun dies bereits andere, denn neben mir wird bereits mächtig „Holz gesägt“.
Gegen 05.30 Uhr komme ich allmählich zu mir und bemerke ein komisches Gefühl auf meiner rechten Wange. Eine große Nacktschnecke hatte es sich auf mir gemütlich gemacht – die hat das Fliegen gelernt. Ich sortiere mich langsam und bemerke ein drückendes Gefühl innerhalb meiner Laufsocken. Ich muss leider an beiden Fußsohlen zwei Blasen feststellen, welche mit Flüssigkeit gefüllt sind. Um keine Zeit zu verlieren, öffne ich diese vorsichtig mit meinem Multitool und versorge diese anschließend so gut wie möglich mit Hilfe eines Allzwecktapes
Ich ärgere mich schon jetzt darüber, die geforderten Trailrunning-Schuhe zu tragen, denn wir sind die erste Etappe größtenteils über Asphalt gelaufen und die steife Sohle hat ihren Beitrag zur Bildung von Blasen und Druckstellen geleistet.
Andere Teilnehmer haben das große Glück, die Schuhe Ihrer Anreise bei der Challenge tragen zu können. Ein Schuhtausch ist gemäß des Reglements ohne weiteres leider nicht möglich. Joey Kelly trägt die wohl ältesten und dementsprechend super eingelaufenen Schuhe. Ich bin fest von einer anderen Location ausgegangen und das rächt sich schon nach dem ersten Tag.
Mit ein paar Stunden Ruhe und neuer Motivation geht es in den zweiten Tag. Nach einer kurzen und wassersparenden Katzenwäsche packen wir unsere Rucksäcke und auf geht’s auf die neue Etappe. Es ist zwar ein seltsames Gefühl, wieder in die gleichen Schuhe zu schlüpfen, doch nach einigen hundert Metern bin ich wieder im Rhythmus.
Wir laufen durch eine kleines Dorf und bekommen unsere Wasserflaschen durch den hilfsbereiten Wirt befüllt. Dieser bietet uns sogar ein Tablett mit Brötchen und Eiern an, doch so groß die Versuchung auch sein mag – wir dürfen diese leider nicht annehmen.
Ich hadere über die Regeln und bin damit nicht alleine. Alleine die Strecke von ca. 860 km innerhalb von 19 Tagen zu Fuß zurücklegen zu müssen ist eine unglaubliche Herausforderung. Aber wie dies ohne vernünftige Ernährung erfolgen sollte, ist mir völlig rätselhaft. Zumal ich sowieso kein „Allesfresser“ bin. Weshalb ist es dann nicht gestattet, diese Frühstücksreste zu verwenden?
Der Erste aus der Gruppe kann sich mit der Challenge überhaupt nicht arrangieren und steigt noch am Vormittag aus. Respekt vor seiner Entscheidung, denn es bedarf auf jeden Fall Mut, diese zu treffen. Immerhin ist dies ja im TV zu verfolgen und niemand möchte sich blamieren oder als Schwächling dastehen.
Wir laufen stundenlang innerhalb eines Waldes. Während des Laufens kommt man mit jedem Einzelnen wunderbar in Kontakt. Der Austausch ist jedoch nicht durch Oberflächlichkeit gespickt, sondern einfach nur ehrlich und so, als würde man sich schon ewig kennen. Es kommen tolle Gespräche zustande.
Der Eindruck, dass man sich aber nur unterhalten würde täuscht. Oft ist es minutenlang einfach nur still. Jeder ist mit sich selbst und der Situation beschäftigt. Thema Nr. 1 ist schon jetzt die Ernährung. „Was kann man essen? Von was sollte ich lieber die Finger lassen?“
Um die Mittagszeit kommen wir aus einem Waldstück und machen eine 15-minütige Rast. Ich setze meinen Rucksack ab und ziehe meine Kappe ins Gesicht. Ich schlafe auf der Stelle ein. Leider wird der Schlaf durch ein „Wollen wir weiter“ unsanft unterbrochen.
Ein großer Zaun innerhalb des Waldes trennt unseren Weg wohl von einem See. Wir entschließen uns dazu, den Umweg zu gehen und zum kühlen Nass herunterzusteigen. Der Weg führt durch dicht bewachsenes Grün, Dornen, Brennnesseln. Nach gut 10 Minuten müssen wir jedoch feststellen, dass wir aufgrund des Wildwuchses nicht ans Wasser kommen. Der Traum von einer Erfrischung und einem Bad ist geplatzt. Also treten wir wieder den Rückweg hoch zu unserem Ausgangspunkt an – vergeudete Energie, aber ein Versuch war es wert.
Drei Aussteiger nach nicht einmal zwei Tagen… Nach der Verabschiedung geht unsere Reise weiter, doch natürlich geht das nicht spurlos an mir vorbei. Ich laufe weiter, das Gewicht auf dem Rücken macht sich bemerkbar und die zwei Blasen werden auch nicht besser. Dazu die ständigen Gedanken, was ich denn essen könnte, um etwas Kraft zu tanken und das Schritt für Schritt für Schritt.
Wir finden gegen 19.30 Uhr und einem 13-stündigen Marsch einen schönen See zwischen zwei Ortschaften inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte. Jetzt soll sich doch noch der zuvor geplatzte Luxus vom Bad erfüllen. Ein Angler campiert am See und ist damit einverstanden, dass wir uns ebenfalls am See erfrischen. Ich zögere nicht lange und finde mich innerhalb weniger Minuten mit einem Kollegen sowie Joey Kelly im See wieder. Die Blasen brennen zwar wie Feuer, doch die Freude an der Erfrischung lässt dies fast vergessen. Ich wasche meine Haare, meinen Körper und behandele meine Füße im Anschluss so gut wie möglich.
In dieser Nacht komme ich jedoch leider überhaupt nicht zur Ruhe. Ich spüre in mir eine Nervosität und Rastlosigkeit, welche ich bisher nur nach Marathonrennen oder einem IRONMAN kenne. Zusätzlich nerven mich die Moskitos permanent. Ich versuche mich durch meine Rettungsdecke über das Gesicht zu schützen, doch diese hilft nicht besonders gut. Die Beine schmerzen und ich habe das Bedürfnis, diese hochzulegen. Auch diese Maßnahme bringt leider keine Linderung.
Gegen 07.00 Uhr starten wir auf die nächste Etappe. Ich bin gezeichnet von der Nacht und kann nur noch sehr schlecht auftreten. Neben den Blasen an der rechten und linken Fußsohle habe ich durch die starren Schuhe jede Menge Druckstellen, welche einen permanenten Schmerz verursachen. Dieser ist bei jedem einzelnen Schritt spürbar. Mittlerweile habe ich mich am Gesäß wund gelaufen und versuche dies durch etwas Sonnencreme zu beheben. Diese brennt anfangs zwar höllisch, doch anschließend geht es wesentlich besser. Hinzu kommt der permanent anhaltende Hunger. Ich fühle mich müde und schlapp. Bei schnelleren Schritten hämmert es in meinem Kopf.
Ein Teilnehmer signalisiert kurz hinter Güstrow offiziell austeigen zu wollen. An einem Döner-Imbiss können wir die Wasserflaschen auffüllen lassen. Es gibt eine kurze Möglichkeit des Verschnaufens. Es fällt mir nach der Pause sehr schwer, wieder ins Laufen zu kommen. Zu groß sind die Schmerzen an meinen Füßen.
Wir laufen an diesem Vormittag gefühlte Ewigkeiten auf einer Hauptverkehrsstraße. Es kommen uns u. a. viele schwere LKW´s und einige Fahrzeuge der Bundeswehr entgegen, die teilweise wegen uns mitten auf der Straße anhalten oder waghalsige Manöver riskieren müssen. Es gibt eine Fülle brenzliger Situationen, auch wenn die mecklenburgischen Fahrer nicht hupen oder uns beschimpfen. Ich merke, dass meine Konzentration und Kraft nachlässt. Ich trete genau zwischen Asphalt und Randbegrenzung und komme fast zu Fall. Ich habe das weitere Signal meines Körpers wahrgenommen, hinzu kommt die mentale Komponente. Selbst wenn ich mich noch durch den heutigen Tage kämpfen würde, ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Es stehen immer noch 16 lange Tage und Nächte bevor…
Wir kommen in ein kleines Örtchen. Der Teilnehmer, der bereits angekündigt hat aussteigen zu wollen, macht ernst. Ich stehe daneben und entscheide ebenfalls, meine Reise hier zu beenden.
Ich werde vor laufender Kamera gefragt, ob es für uns „Supersportler“ nicht schwach sei, jetzt schon auszusteigen? Ich antworte, dass ich ganz alleine entscheide, wie weit ich bereit bin zu gehen und aufgrund der Umstände nicht weitermachen werde. Die Strecke sei als solche schon unvorstellbar und eine benötigte Leistung ist ohne jegliche Verpflegung nicht machbar. Außerdem habe ich nicht nur Verantwortung mir gegenüber.
Wir sind mittlerweile in der brandenburgischen Ortschaft Pritzwalk angekommen. Nach ca. 160 km bin ich weder körperlich noch mental bereit, weiterzulaufen. Die Reisegruppe ist aufgrund meiner Entscheidung zwar etwas erschrocken, doch diese ist über viele KM in mir gereift und endgültig.
Resümee:
Joey Kelly hat speziell für die Challenge 12 kg über die kalte Jahreszeit zugenommen, um hiervon zerren zu können. Bei seinem letzten Deutschlandlauf hat er 15-17 kg verloren. Bei mir waren es 3 kg in den ersten drei Tagen. Zudem hätte ich mich definitiv für ein anderes Schuhwerk entschieden. Ich habe keinerlei Erfahrungen mit diesen Entfernungen. Ich bin bisher maximal Marathondistanzen gelaufen. Zudem bin ich völlig unerfahren was das Gebiet des Survival betrifft und bin auch nicht der Typ hierfür. Dies betrifft insbesondere die nicht vorhanden Verpflegung. Ich habe noch nie eine Diät gemacht und kannte bisher das Gefühl von Hunger in Verbindung mit körperlicher Leistung nicht.
Ich ziehe trotz meines zeitigen Ausscheidens die positiven Aspekte aus der Challenge. Ich habe in Joy Kelly und den weiteren neun Mitstreitern super Sportler kennenlernen dürfen, zu denen nach wie vor Kontakt besteht.
Alltägliches ist für uns selbstverständlich. Durch die Tour habe ich gelernt, bestimmte Dinge wieder anders wertzuschätzen. Aspekte wie Dankbarkeit und Respekt werden bei mir definitiv wieder größer geschrieben.
Sascha Gramm
www.sascha-lauftrainer.de
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